Jessica Pooch

<   Wärme kommt von innen   >

Was für ein passender Titel zur Jahreszeit, könnte man denken.

Bei ständigen Temperaturen um oder unter dem Nullpunkt tut innere Wärme not. Denn auch die Objekte der Ausstellung – Artefakte des öffentlichen Raums aus verzinktem Eisen und Aludosen, gefüllt mit einem Energydrink – sind nicht grade das, was Wärme schafft. Im Gegenteil: Eisen ist kalt und der Drink erfrischt. Und dennoch bekommt man heimelige Gefühle, denn bezaubernderweise duftet der Raum nach Selbstgebackenem und die sonst nur kühlen Dosen sind mit kleinen privaten Szenen bedruckt, die veranschaulichen, dass auch Menschen im öffentlichen Raum – denn alle Fotografien wurden in der U-Bahn aufgenommen – eine Intimsphäre besitzen und verletzlich sein können. 

Und nun ist das stählerne, zweiteilige Eckensemble ein eigenständiges Wesen, dessen Bestandteile – ein dreieckiges Blech und ein Handlauf – sich im inneren Dialog aufzulösen scheinen. Und wieder stellt sich die alte Frage: Wie sieht Gott aus wenn ein Dreieck sich Gott vorstellt?

 

Appropriate title, one could think.

In times of permanent temperature around or under zero degrees we need inner warmth. Even the objects of the exhibition – artifacts of the public space of galvanized iron and aluminium cans, filled with an energy drink – are not really warming. On the contrary, iron is cold and the drink is refreshing. Nevertheless, you get a cozy feeling, because the room smells enchantingly like home-backed bread and small private scenes are printed on the otherwise cold cans, which show that even people in public space – all the photos were taken in the subway – have their privacy and can be vulnerable.

And now the iron ensemble of two parts becomes an autonom entity, whose components – a triangular metal plate and a handrail – seem to vanish in their inner dialog. This again leads to the old question: How would God look like, if a triangle thinks of God?

 

 

 

Patrick Huber 

translation Otto Bonnen

 

In den Arbeiten von Jessica Pooch fällt vor allem ihr Humor auf. Mit hoher Beobachtungsgabe zeigt sie ihr Verständnis für die Menschen, weil sie ihre Tendenzen erkennt und diese mit vorhandenen Mitteln in einen künstlerischen Rahmen transponiert.

So ist etwa die Arbeit B Civilite eine Nachbildung einer existierenden Konstellation im Maßstab 1:1, auf die sie 2012 im Berliner Stadtraum gestoßen war. Die Installation besteht aus zwei Teilen: Einem verzinkten Dreieck, das im öffentlichen Raum in den Winkel von potenziellen Pinkelecken befestigt wird und den Urinstrahl auf den Urinierenden zurückspritzen lassen würde, und einem eisernen Handlauf, um Passanten Halt zu gewähren. Diese Kombination von Hindernis und Unterstützung stellt den Reiz für Pooch dar, die Funktion dieser Zusammensetzung zu hinterfragen.

Mit Do you feel the energy? stellt Jessica Pooch für den Besucher Energydrinks in Dosen zur Verfügung, die mit Fotos von Menschen in öffentlichen Verkehrsmitteln beklebt sind. Im Fokus dieser Abbildungen liegen zumeist die Hände der Personen, häufig sind sie mit ihrem Smartphone beschäftigt. Bei dieser Arbeit handelt es sich um trinkbare Energie, die jederzeit verfügbar ist. Dabei wird im gleichen Zuge dargestellt, wofür wir unsere freie Energie benutzen, was wir in der Zwischenzeit von den bewussten Einsätzen unserer Energie machen

– wie beispielsweise dem Weg von der Arbeit nach Hause: Es ist eine passive Beschäftigung, wenn es eine Wahl gibt. Wie in der Installation B Civilite handelt es sich um eine Art Oxymoron, denn hier wird das Bereitstellen von Energie mit der Abbildung von dem geringsten Einsatz von Energie vereint.

Eine weitere Komponente, die sich subtil unter die Arbeiten mischt, ist ein Raumduft. Hierbei ist ein künstlicher Geruch (Crunchy Bread) wahrzunehmen, der seinen Ursprung im Aroma-Marketing findet und eine umsatzsteigernde Wirkung verspricht. Auch hier blickt der gutgemeinte Gedanke durch, den Menschen auf künstliche Weise zu optimieren: Auf ästhetischer Ebene wird durch ein chemisches Gemisch sein Wohlbefinden adressiert. Wieder entsteht ein ironischer Twist: Der Geruch von selbstgebackenem Brot als einem selbsterstellten Nahrungserzeugnis, das ja essentiell ist, ist nicht visuell an die vermutete Form gebunden: Der Besucher wird weder Brot noch Backzutaten finden, denn der Duft wird über eine zeitgeschaltete Maschine verströmt. 

Der Ausstellungstitel Wärme kommt von innen mag wie ein ironischer Slogan eines Energydrinks klingen, verweist aber vor allem auf den Menschen, der im Zentrum der Arbeiten steht. Er hat sich seinen Bedürfnissen gewissermaßen entfremdet und mit Einschränkungen auf seine schlechten Angewohnheiten und Tendenzen reagiert, was durch ästhetisch kühle Materialien und Chemikalien zum Ausdruck kommt. Dennoch ist der Hinweis gut gemeint und will mit fast warmherzigen Willen den Menschen optimieren, sei es in seinem Stadtbild oder in seiner Produktivität.

The work by Jessica Pooch are remarkable for their subtle humour. With keen observation skills she shows her understanding of people, because she realises their tendencies and reflects them into an artistic form using given media.

In this way the work B Civilite is a reproduction of an existing constellation on a scale of 1:1, that she found in Berlin in 2012. The installation consists of two pieces: A galvanised triangle, which usually hangs in a potential ‘piss corner’ in a public space which would sprinkle the urine back to the urinating individual. And an iron handrail to offer stability to passengers. This combination of obstacle and support give attraction for Pooch to question the function of this combination.

In Do you feel the energy? Jessica Pooch provides energy drink filled cans with photographs of people in public transport printed on them. The focus of these images is mostly on the hands of the people

– they often use their smartphones. This work is about drinkable energy, which is available at any time. At the same time it is depicted what we use our spare time for, what we do with our energy in the time between our conscious use of energy. For example our commute from work to our homes: a passive activity, if we can choose/if there is an option. As with the work of B Civilite, there is a juxtaposition because the energy drink is providing energy yet at the same time contrasted by an image of the lowest use of energy.

Another component that mixes in with the exhibition subtly, is the scent of the room. This artificial odour (Crunchy Bread) has its origin in aromatic marketing and promises increasing sales. And again the well-intended thought to optimize the human being artificially is recognizable: On an aesthetic level his wellbeing is addressed through a chemical mixture. This leads to an ironic twist: The smell of self-baked bread as a self-created food product, which certainly is essential, is not visually bound to any supposed form: The visitor would neither find bread nor any baking ingredients, because the scent is released by a

time-switching machine.

The exhibition title Wärme kommt von innen (Warmth comes from the inside) may sound like an ironic slogan for an energy drink, but it refers specifically to the people who are at the centre of the work. Man has virtually alienated himself from his needs and reacted with restriction to his bad habits and tendencies, which finds its aesthetic expression in cold materials and chemicals. But still the indication is well-meant and wants to optimize the human being with caring/warmhearted will, whether in his cityscape or in his productivity. 

 

 

 

 

 

 

 

Otto Bonnen 

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