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Lars Hinrichs : Scheitern des Schönen

 

„Für uns Zeitgenossen spielt das Schöne anscheinend keine Rolle mehr. Wir haben den Umgang damit verlernt und tun uns schwer damit. Das Schöne ist uns beim Kunstkonsum zum Hindernis geworden.“

 

Beim genaueren Betrachten der Bilder von Lars Hinrichs zeigt sich, dass sich seine Naturadaptionen mit allerlei Seltsamkeiten auseinanderzusetzen haben. So hat die Schildkröte Luftschlangen anstelle ihrer Beine und der Wellensittich ein Wienerwürstchen im Schnabel... Man spürt darin einen Ernst oder besser gesagt: die Dringlichkeit, ernst zu sein, denn seine Technik lässt keine Zufälle zu, alles ist bestechend scharf und schonungslos präzise, dennoch bezaubernd und schön.

 

Aber was weiß ein Mensch von 2016 denn schon vom Schönen?

Nichts, nichts und wieder nichts! Und so ist nachzuschlagen, was Karl Philipp Moritz 1785 in seinem Aufsatz „ Über den Begriff des in sich selbst Vollendeten“ geschrieben hat.

 

...Bei der Betrachtung des Schönen aber wälze ich den Zweck aus mir in den Gegenstand selbst zurück: ich betrachte ihn als etwas nicht in mir, sondern in sich selbst Vollendetes, das also in sich ein Ganzes ausmacht und mir um sein selbst willen Vergnügen gewährt; indem ich dem schönen Gegenstande nicht sowohl Beziehung auf mich als mir vielmehr eine Beziehung auf ihn gebe...

 

...Daher das ungeduldige Verlangen, daß alles dem Schönen huldigen soll, welches wir einmal dafür erkannt haben: je allgemeiner es als schön erkannt und bewundert wird; desto mehr Wert erhält es auch in unsern Augen...

 

Nun erscheinen kleine Geschichten in meinem Kopf. Geschichten, die nur an mich adressiert zu sein scheinen. Und sofort habe ich das Bedürfnis, dass andere das Gleiche auch sehen und fühlen können. Dabei fällt mir auf, dass sich gar nichts geändert hat. Die Wahrnehmung von Kunst und mein Bedürfnis, meine Entdeckungen teilen zu können, sind die gleichen Mechanismen wie zu Moritz‘ Zeiten, es werden die gleichen Sinne stimuliert. Der Schönheitssinn ist immer noch aktiv und schreit nach Nahrung... und so geht Lars, um seinen Garten zu bestellen. 

 

 

 

„For us as people of our time, beauty does not seem to matter any more. We have lost our ability to deal with it and are struggling with it. In our way of consuming art, beauty has become a barrier to us.“

 

On closer inspection, Lars Hinrichs‘ paintings reveal that his adaptations of nature have to deal with all sorts of oddities. The turtle has got paper streamers instead of legs and the budgie has got a wiener saussage in its beak... You can sense a seriousness in this, or rather the importance of being earnest, since his technique does not allow for chance, everything is convincingly clear and unsparingly precise, yet enchanting and beautiful.

 

But what does a human being of 2016 know about beauty?

Nothing, nothing, nothing! As Karl Philipp Moritz wrote in his essay „About the Concept of That Which Is Perfect in Itself“ in 1785:

 

...On regarding something beautiful, I take the purpose away from myself and put it back into the object itself:

I do not view it as something perfect within me, but as perfect in itself, something that is complete by itself and grants me pleasure for its own sake; I do not just give the beautiful object a connection to me, but rather myself a connection to it...

 

...That is where the impatient desire comes from for everything to show reverence for beauty, once we have recognized it as such: the more commonly it is recognized and appreciated as beautiful, the more value it has in our eyes...

 

Now, little stories appear in my head. Stories that seem to be directed only at me. And I immedeately feel the need to enable others to see and feel the same. And then I notice that nothing has changed. The perception of art and my need to be able to share my discoveries are the same mechanisms as they were at Moritz‘ times, the same senses are being stimulated. The sense of beauty is still active and cries for nurishment... and so Lars sets out to tend his garden.

 

Patrick Huber

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